Leistbares Wohnen ist mittlerweile in vielen europäischen Ländern zu einem der dringendsten Themen geworden. Wien wird dabei vielerorts als Vorbild angesehen, nicht zuletzt wegen seiner rund 220.000 Gemeindewohnungen für etwa 500.000 Wiener Bürger*innen. Am Freitag, 26. April 2024 hatten zahlreiche Städtevertreter*innen sowie Vertreter*innen von EU-Institutionen die Gelegenheit, sich in Wien ein Bild davon zu machen. Gemeinsam wurde ein offener Brief an das Europäische Parlament, die Kommission und den Rat verfasst. Das Ziel: Die Wohnpolitik soll dem Gemeinwohl dienen und die Bedürfnisse der Menschen in den Vordergrund stellen. Gleichzeitig sollen spekulative Entwicklungen im Immobilienmarkt eingedämmt werden.
Sicherer, gesunder und angemessener Wohnraum ist heute für viele Menschen in Städten und Regionen in ganz Europa oft unerschwinglich geworden. Dabei trifft die Krise nicht nur die einkommensschwächeren Bevölkerungsgruppen, sondern ist längst auch in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Demnach wird die Frage nach leistbarem Wohnraum immer drängender. Um Städte und Regionen stärker in das Thema einzubinden, initiierte der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) am Freitag, 26. April 2024 einen hochrangingen europäischen Dialog in der Donaumetropole.
"Für die großen Herausforderung auf EU-Ebene sind starke Allianzen nötig. Dazu gehören die Städte genauso wie die verschiedenen europäischen Institutionen und Interessensvertretungen. Wir alle arbeiten seit vielen Jahren ausgezeichnet in verschiedenen Projekten und Formaten zusammen", betonte Ludwig im Anschluss an das Treffen, zu dem auch EU-Sozialkommissar Nicolas Schmit live per Videokonferenz aus Brüssel zugeschaltet war. "2024 ist ein Jahr, in dem die Weichen auf europäischer Ebene gestellt werden, die entscheiden, in welche Richtung die Europäische Union ihren Kurs fortsetzt", stellte Bürgermeister Ludwig fest, "daher war es wichtig, dass wir noch vor den Europawahlen ein starkes Signal setzen: Wohnen muss für alle Menschen in der Europäischen Union leistbar sein."
Im Rahmen des Arbeitsgesprächs wurde ein Offener Brief an das Europäische Parlament, Kommission und Rat formuliert. In diesem werden verschiedene Vorschläge präsentiert, darunter die Schaffung einer inhaltlichen Koordinierung und Zuständigkeit im neuen Kollegium, die Einrichtung einer Expert*innengruppe in der Europäischen Kommission und die strukturelle Einbindung der Städte in die Treffen der EU-Wohnbauminister*innen sowie die Einbeziehung von Interessensgruppen zur Daseinsvorsorge, Städtepolitik und langfristigen Investitionen im Europäischen Parlament.
Regelmäßige Gipfeltreffen zum Thema Wohnen unter Einbeziehung aller Beteiligten des sozialen und leistbaren Wohnens, einschließlich der Städte und Regionen, könnten die Aufmerksamkeit für das Thema hoch halten. Darüber hinaus sollte die Gestaltungsfreiheit und die Finanzierungsmöglichkeiten für Städte und Regionen verbessert werden. Dazu gehört vor allem die lang ersehnte Reform des Beihilfenrechts, das immer noch das soziale Wohnen auf die ärmsten Bevölkerungsschichten beschränkt. Für andere Themen wie die Entwicklung von Modellen für lokale und regionale revolvierende Wohnbaufonds könnten die Instrumente und Formate der EU-Städteagenda genutzt werden. "Wir sind uns einig, dass Wohnungspolitik dem Gemeinwohl dienen muss – das ist gut für die Menschen, für die Wirtschaft und für das Klima", fasst Ludwig zusammen. Die Europäische Union solle der Verantwortung gerecht werden, ihre Bürger*innen vor krisenhaften und spekulativen Entwicklungen zu schützen.
Evelyn Regner, Vizepräsidentin des EU-Parlaments, unterstreicht: "Es gibt wohl keinen besseren Ort von dem aus wir unsere Forderungen für das Grundrecht auf leistbares Wohnen in ganz Europa formulieren könnten als Wien. Hier sehen wir in der Praxis, wie eine solidarische Politik der Daseinsvorsorge guten Wohnraum für alle sichern kann. Und dieses Beispiel muss Schule machen."
Dem Präsidenten des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses, Oliver Röpke, zufolge, würde Wien zudem zeigen, dass ein starker kommunaler und gemeinnütziger Wohnungssektor sich positiv – preisdämpfend – auf den gesamten Wohnungsmarkt auswirkt. "Das ist nicht nur für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gut, es hilft auch der Wirtschaft, sich nachhaltig zu entwickeln und unterstützt auch die Klimaziele", so Röpke.
Der Offene Brief an das Europäische Parlament, Kommission und Rat ist hier einsehbar.